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Soziales









       ligen“, apathischen, überangepassten   fungen, seelische Verletzungen
       und freudlosen Menschen heran-       und andere entwürdigende
       wachsen oder zu Menschen, die das    Maßnahmen sind unzulässig“
       Konzept der Gewalt in sich aufgenom-  (BGB, § 1.631, Abs. 2).
       men, als Handlungsmuster gefestigt
       haben und es dann als Erwachsene     Bei diesem Gesetz geht es
       später selbst anwenden. Ich verstehe,   übrigens nicht nur um schwere
       gewaltfreie Erziehung ist schwer, vor   Prügel und Misshandlungen von
       allem, wenn man selbst Gewalterfah-  Kindern. Auch Ohrfeigen oder
       rungen in der Kindheit gemacht hat.   entwürdigendes oder ernied-
       Ich möchte allen betroffenen Eltern   rigendes Verhalten gegenüber
       empfehlen: Holen Sie sich Hilfe zur   Kindern sind untersagt. Daraus
       Erziehung! Es gibt Beratungsstellen   kann man wohl folgern: Es gibt           Flüchtlingskinder im Lager Moria (Lesbos,
       in jeder Stadt und jedem Landkreis.  kein „gerechtes“ oder „würde-             Griechenland). © ZDF/Nikolaus Winter
                                            volles“ Schlagen von Kindern.
       Dies ist die psychologisch-pädago-   Schlagen verstößt gegen
       gische Betrachtung dieses Themas.    Recht und Würde des Kindes.
       Und ich möchte als Fazit den Worten
       von Papst Franziskus gerne wider-    Eltern, die ihre Kinder schlagen,
       sprechen: Nein, Gewalt ist kein gutes   können sich damit sogar strafbar
       Mittel zu Wachstum und Reife!        machen: Schlagen kann als „vor-
                                            sätzliche Körperverletzung“ (nach
       FAM: Ich weiß, Sie sind keine Ju-    § 223, StGB) bewertet werden.             Die Konvention zum
       ristin. Aber können Sie auch etwas   Auf das „Züchtigungsrecht“ als            Schutze der Menschen­
       zur rechtlichen Situation sagen?     ein Gewohnheitsrecht können
                                            sich Eltern heutzutage nicht mehr         rechte und Grundfreihei­
       Angela Paradies: (Lacht). Nun ja, auch   berufen. Schlagenden Eltern dro-
       Juristen sind nicht immer ganz si-   hen Geldstrafen oder Freiheits-           ten enthält einen Katalog
       cher im Umgang mit gesetzlichen      strafen von bis zu fünf Jahren.           von Grundrechten und
       Auslegungen, wie man sieht.
                                            Bei massiver Gewaltanwendung,             Menschenrechten. Über
       Die gesetzliche Betrachtung des The-  z. B. Verprügeln mit Stock oder          ihre Umsetzung wacht
       mas „Gewalt gegen Kinder“ gibt den   Gürtel, beurteilen Gerichte dies
       Rahmen für unser gesellschaftliches   möglicherweise als „(rohe) Miss-         der Europäische Ge­
       und privates Handeln. Und die Gesetze   handlung von Schutzbefohlenen“         richtshof für Menschen­
       formulieren auf internationaler Ebene   (nach § 225, StGB). Hier sieht der
       in der „UN-Konvention über die Rechte   Gesetzgeber Gefängnisstrafe vor.       rechte in Straßburg.
       des Kindes“ und auch auf deutscher                                             Die Konvention mit der
       Ebene seit dem Jahr 2000 im „Kinder-   FAM: Der Gesetzgeber hat offen-
       und Jugendschutz“, festgeschrieben   bar die Kinder gut im Blick.              SEV­Nr. 003 wurde im
       im BGB und im StGB, eindeutig:                                                 Rahmen des Europa­
                                            Angela Paradies: Ja. Im deutschen
       „Kinder haben ein Recht auf gewalt-  Gesetz steht heute das Kindes-            rats ausgearbeitet, am
       freie Erziehung. Körperliche Bestra-  wohl im Mittelpunkt.                     4. November 1950 in
                                                                                      Rom unterzeichnet und

                                                                                      trat am 3. September
                                                                                      1953 allgemein in Kraft.








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