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ZeitGeschichte
Wie das Licht
in unsere
Städte kam
Eine Kulturgeschichte
des künstlichen Lichts
ber einen sehr langen Zeitraum
war die Sonne die einzige Licht- © iStock.com/Symeonidis Dimitri
Üquelle des Menschen. Eine seiner
bedeutendsten frühen Erfindungen vor
rund zwei Millionen Jahren war die
Zähmung des durch Blitzeinschlag oder
Vulkanausbrüche verursachten Feuers und Helligkeit in den dunklen Wohnhöhlen der „Sieben Weltwunder“ und galt sogar
seine Nutzung als Licht- und Wärmequelle. der frühen Menschen sorgte. Die be- als Wunderwaffe, mithilfe seines gebün-
rühmten steinzeitlichen Höhlenmalereien delten Lichtstrahls könne man feindliche
Die wohl älteste genutzte künstliche von Altamira in Spanien konnten nur bei Schiffe, die sich nähern, in Brand setzen.
Lichtquelle war der Kienspan, ein flach künstlichem Licht entstanden sein – sie
gespaltenes Stück aus harzhaltigem Holz, sind etwa 15.000 Jahre alt und zeigen Im dritten Jahrhundert nach Christus
meist aus der Kiefer. Er wurde wie ein- teils farbige Darstellungen von Hirschen, gab es im griechischen Antiochia (heute
faches Feuerholz angezündet und diente Bisons, Wildschweinen und Pferden. das türkische Antakya) „Lichter auf den
dann für einige Minuten als bescheidene, Gassen“ – die erste überlieferte städtische
stark flackernde Lichtquelle. Tonlämpchen mit nachfüllbarem Brenn- Straßenbeleuchtung.
stoff kamen dann um 700 vor Christus
Aus dem Kienspan entwickelte sich die auf. Erstmalig wurde ein Docht als Kerzen, die seit etwa dem zweiten Jahr-
Fackel – ein Holzstock, der an einem Brennstelle verwendet, als Brennstof- hundert nach Christus bekannt sind,
Ende mit gut brennbaren Substanzen wie fe dienten Tierfette, Pflanzenöle oder wurden aus Wachs oder einer Talgmi-
Harz oder Pech bestrichen war und für Wachs. Sehr früh begann der Mensch schung hergestellt. Bienenwachskerzen
damit, die für ihn so wichtigen lichtspen- waren bis ins 19. Jahrhundert bei Adel
denden kleinen Leuchten kunstvoll zu ge- und Großbürgertum das bevorzugte
stalten, neben Ton und Keramik wurden
Leuchtmittel. In der Barockzeit leuch-
© iStock.com/cineuno sie auch aus Bronze gefertigt. teten riesige von der Decke hängende
Kronleuchter mit hunderten Kerzen
Auch Außenbeleuchtungen kannte
Hitze und verursachten gelegentlich auch
man bereits in der Antike. Um das höfische Feste aus, erzeugten dabei große
Jahr 300 vor Christus wurde der erste verheerende Brände. Ärmere Menschen
Leuchtturm der Geschichte, der Pharos nutzten weiterhin Öllampen, die Tran
von Alexandria, zur Kennzeichnung der oder Talg verbrannten und weit weniger
schwierigen Hafeneinfahrt der Handels- wohlriechend abbrannten.
metropole erbaut. Polierte Hohlspiegel
aus Bronze verstärkten das Lichtsignal, Die Leuchten für flüssige Brennstoffe
das mithilfe von Sonneneinstrahlung wurden erst Ende des 18. Jahrhunderts
entfacht wurde. Brennstoffe waren Baum- von Aimé Argand verbessert: Ein über
harze, Öl und Pech. Der Pharos war eines einen Drehmechanismus regelbarer
38 familienmagazin | Herbst 2024