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Manager*innen und Chef*innen sich    kann es durchaus gehören, mittels eines   Bevor es die Diskussion eskaliert, ist es
       in maßgeschneiderte Anzüge, polier-  bestimmten Kleidungsstils seine Individu-  sinnvoll, einvernehmlich eine Entschei-
       ten Lederschuhen und gut gebügelten   alität oder Meinung kundzutun.     dung hinsichtlich der angemessenen
       Oberteilen zeigten, sieht man nunmehr                                    Schulbekleidung zu treffen und dabei die
       kaum noch Bügelfaltenhosen, Etuikleider   Jedoch haben Schulen unstreitig einen er-  verschiedenen Aspekte zu berücksich-
       oder Pumps. Selbst die Erfolgreichsten   zieherischen Auftrag und sollen ein chan-  tigen. Eine Kleiderordnung kann einen
       sind nun in Sneaker und T-Shirt bei   cengleiches, verantwortungsbewusstes   befriedigenden Kompromiss darstellen.
       Geschäftsmeetings und öffentlichen   Miteinander stärken. Damit ist klar, dass   Der Bundeselternrat hat sich klar dafür
       Anlässen unterwegs. Der Trend zur    Kleidung mit rassistischen, provokanten   ausgesprochen, in die Schulordnung eine
       „Verfreizeitlichung“ sei klar erkennbar,   Aufschriften oder andere gefährdende   Kleiderordnung mit aufzunehmen. Eine
       schreibt die Süddeutsche Zeitung: Statt   Accessoires (Stachelketten, Piercings im   Schuluniform wird dagegen im seltens-
       „dress to impress“ werde in der Wirt-  Sportunterricht) verboten werden müssen.   ten Fall eine adäquate und umsetzbare
       schaft inzwischen der Slogan „come as   Sicherheit, Hygiene und der Schutz der   Lösung sein.
       you are“ gelebt. Was früher einmal die   Werte anderer sind grundsätzlich durch-
       Woche mit dem „Casual Friday“ toleriert   setzbare Argumente zur Beschränkung   Es ist sicherlich lohnend, als Eltern mit
       wurde, ist jetzt Alltag: der lässige Frei-  einer bestimmten Kleiderwahl und der   den Kindern darüber zu sprechen, wieso
       zeitlook im Büro.                    Selbstbestimmung.                   eine zu legere, verlotterte oder mit provo-
                                                                                kanten Sprüchen versehene Bekleidung
       Aber wo ist die Grenze? Wann ist die                                     im täglichen Umgang zu Kontroversen
       Bekleidung nicht mehr angemessen?                                        führen kann. Sie können Ihren Kindern
       Dieses Thema wird auch an Schulen stark                                  erklären, dass zu einem respektvollen
       diskutiert.                                                              Umgang miteinander auch gehört, sich
                                                                                orts- und anlassbezogen angemessen zu
       In vielen Schulen entstehen in wachsen-                                  kleiden. Ein Behördengang in Flip-Flops
       dem Maße Diskussionen darüber, ob es                                     und Muskelshirt oder ein durchsichtiges
       eine Kleiderordnung geben sollte. Denn                                   Oberteil im Café? Kapuze auf dem Kopf
       Jogginghose, T-Shirts mit provozieren-                                   im Restaurant oder Minirock bei einer Be-
       den Aufschriften, sehr kurze „Hotpants“                                  erdigung? Wie finden Sie das und was für
       oder bauchfreie Oberteile sorgen ver-                                    Assoziationen werden bei Ihnen bewusst
       mehrt für Konflikte zwischen Lehrern,                                    oder unbewusst damit geweckt?
       Schülern und Eltern. An manchen
       Schulen gibt es schon Kleiderordnungen,                                  Längst spricht keiner mehr davon, dass
       die bestimmte Outfits oder Accessoires                                   offene Schuhe im Büro ein „No-Go“ sind.
       verbieten. Das verärgert einige, die sich                                Aber sicherlich ist es nachvollziehbar,
       dadurch in ihrer persönlichen Grund-                                     wenn sich Kollegen und Kolleginnen von
       freiheit beschränkt sehen. Und tatsäch-                                  allzu lässiger Kleidung brüskiert fühlen.
       lich ist es rechtlich fraglich, ob die Schule                            Denn mit unserer Bekleidung drücken
       Schüler*innen vom Unterricht aufgrund                                    wir etwas aus, zeigen in gewisser Hinsicht
       einer bestimmten Bekleidung ausschlie-                                   unsere innere Haltung.
       ßen darf. Hier gibt es verschiedene
       Blickwinkel zu beachten, was die Debatte                                 Wer etwas ernst nimmt, Respekt zeigen
       nicht einfach macht.                                                     möchte, drückt das auch mit dem Äuße-
                                                                                ren aus, indem er/sie sich entsprechend
       Zunächst geht es aus Schulleitungssicht                                  nicht zu freizügig, nicht zu (nach)lässig
       darum, den Schulbetrieb aufrechtzuer-                                    kleidet. Das heißt nicht, dass man seine
       halten. Das heißt, jegliche Provokation                                  Persönlichkeit nicht ausdrücken darf.
       und Unruhe sind möglichst zu vermei-                                     Bei der Auswahl ist es hilfreich, sich zu
       den. Gleichzeitig unterliegen alle Schulen            © iStock.com/Ljupco  fragen, auf welche Umgebung und Per-
       dem Neutralitätsgebot. Daraus folgt, dass                                sonen man treffen wird. Könnte das Äu-
       keine*r unberechtigterweise aufgrund von                                 ßere da vielleicht zu Irritationen führen
       Äußerlichkeiten anders behandelt werden                                  oder gar provozieren? Im Zweifel ist es
       darf. Das heißt auch, dass alle gleichbe-                                besser, formale Kleidung der freizügigen
       rechtigt ihre Meinung äußern können,                                     vorzuziehen.
       ohne dadurch Nachteile zu erleiden. Dazu




                                                                                                   familienmagazin | Sommer 2024  23
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