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Familie und Soziales
Moderne Elternschaft
as Familienmagazin ist zu Be- Johannes: Ich hatte anfangs wirklich
such bei Johanna und Johannes, Befürchtungen, da ich bei früheren
Dder zehn Monate alten Mag- Arbeitgebern häufig mitbekommen habe,
dalena und der zwölfjährigen Isabell. dass es Vätern nicht ermöglicht wurde,
Die kleine Familie hat ein unübliches länger Elternzeit zu nehmen. In der eher
Modell der Elternzeit für sich entdeckt. männerdominierten Baubranche ist
Johannes ist Projektleiter bei einem der es auch absolut unüblich. Bei meinem
größten Bauunternehmen Deutschlands, neuen Arbeitgeber war es aber total un-
Johanna ist Online-Marketing-Spezia- kompliziert, und ich war auch nicht der
listin in einer Softwarefirma für Legal Einzige. Mein Vorgesetzter hat positiv
Compliance-Lösungen. darauf reagiert und mich sogar in der
Entscheidung bestärkt.
FAM: Wie sieht bei euch die Auftei-
lung aus? Johanna: Ich arbeite bei einem kleinen
Softwareunternehmen, wo meine Chefin
Johanna: Wir arbeiten beide in Teil- für jede Arbeitsstunde, die ich leiste,
zeit mit 24 Stunden, bis Magdalena im dankbar ist. Im ersten Moment, als ich
Oktober in die Kita geht. Bei uns sieht es die Schwangerschaft verkündet habe,
so aus, dass wir mittags einen fliegenden Einblicke in ein war es natürlich ein Schock für die Ge-
Wechsel haben. Der eine kommt von der schäftsführung. Klar, sie dachten sofort,
Arbeit heim, und der andere fährt. Um unkonventionelles dass ich für Jahre weg bin, was mich
7 Uhr fängt der Arbeitstag an, und um ärgert, denn warum wird immer auto-
17 Uhr endet er, wenn man uns zusam- Familienmodell matisch alles der Mutter zugeschoben?
menlegt. Aber nach vielen Gesprächen haben wir
unseren Weg gefunden. Ich denke, das
FAM: Das hört sich schon turbulent an? war auch hier die Lösung. Gemeinsam
einen Weg finden, miteinander reden
Johannes lacht: Ja, manchmal ist es stres- und bereit sein, auch mal etwas Unübli-
sig. Gerade wenn einer von uns berufliche ches zu probieren.
Termine hat und dann zu spät dran ist.
Gemeinsames Mittagessen schaffen wir FAM: Beide in Teilzeit – wie macht ihr
nur selten – das holen wir aber abends das finanziell?
nach. Richtig schwierig wurde es, als wir
kein Auto hatten und mittags dann mit Johanna: Finanziell gesehen bedeutet es
dem Fahrrad samt Baby im Anhänger natürlich Verzicht, zum Beispiel auf das
durch die Stadt gefahren sind. zweite Auto oder Urlaub. Mittlerweile
stellen wir aber auch fest, dass uns diese
FAM: Wie kam es dazu, dass ihr euch für Dinge gar nicht fehlen und man mit dem
euer Modell entschieden habt? Fahrrad auch im Winter gut zur Arbeit
fahren kann. Uns beiden ist aber auch
Johanna: Es war für mich einfach selbst- Johannes: Ja, für mich war auch klar: klar, dass jeder von uns das Glück hat, in
verständlich. Mit meiner Tochter war ich Wenn ich mir ein Kind wünsche, dann einem gut bezahlten Beruf zu arbeiten.
viele Jahre alleinerziehend. Der Papa hat soll es auch etwas von mir haben. Mein Die Aufstockung durch das Elterngeld ist
uns trotz Kinderwunsch in der Schwan- Vater war eigentlich nur am Wochenen- hier wirklich gering. Würde nur Johanna
gerschaft verlassen und sich nie geküm- de in den ersten Jahren zu Hause. Später zu Hause bleiben, wäre es finanziell für
mert. Weder finanziell noch persönlich. dann war er durch Frührente ganztags uns am besten. Die traditionelle Rollen-
Da musste und wollte ich immer arbeiten, da – das habe ich positiv in Erinnerung. verteilung eben.
um uns unabhängig zu versorgen. Es war
einfach Voraussetzung für die Überle- FAM: Was haben eure Arbeitgeber FAM: Wie reagieren andere auf euer
gung, noch mal ein Kind zu bekommen. dazu gesagt? Modell?
20 familienmagazin | Frühjahr 2024