Page 20 - FM_OL_1-2024_FLIPBOOK
P. 20

Familie und Soziales






         Moderne Elternschaft











             as Familienmagazin ist zu Be-                                      Johannes: Ich hatte anfangs wirklich
             such bei Johanna und Johannes,                                     Befürchtungen, da ich bei früheren
      Dder zehn Monate alten Mag-                                               Arbeitgebern häufig mitbekommen habe,
       dalena und der zwölfjährigen Isabell.                                    dass es Vätern nicht ermöglicht wurde,
       Die kleine Familie hat ein unübliches                                    länger Elternzeit zu nehmen. In der eher
       Modell der Elternzeit für sich entdeckt.                                 männerdominierten Baubranche ist
       Johannes ist Projektleiter bei einem der                                 es auch absolut unüblich. Bei meinem
       größten Bauunternehmen Deutschlands,                                     neuen Arbeitgeber war es aber total un-
       Johanna ist Online-Marketing-Spezia-                                     kompliziert, und ich war auch nicht der
       listin in einer Softwarefirma für Legal                                  Einzige. Mein Vorgesetzter hat positiv
       Compliance-Lösungen.                                                     darauf reagiert und mich sogar in der
                                                                                Entscheidung bestärkt.
       FAM: Wie sieht bei euch die Auftei-
       lung aus?                                                                Johanna: Ich arbeite bei einem kleinen
                                                                                Softwareunternehmen, wo meine Chefin
       Johanna: Wir arbeiten beide in Teil-                                     für jede Arbeitsstunde, die ich leiste,
       zeit mit 24 Stunden, bis Magdalena im                                    dankbar ist. Im ersten Moment, als ich
       Oktober in die Kita geht. Bei uns sieht es                               die Schwangerschaft verkündet habe,
       so aus, dass wir mittags einen fliegenden   Einblicke in ein             war es natürlich ein Schock für die Ge-
       Wechsel haben. Der eine kommt von der                                    schäftsführung. Klar, sie dachten sofort,
       Arbeit heim, und der andere fährt. Um   unkonventionelles                dass ich für Jahre weg bin, was mich
       7 Uhr fängt der Arbeitstag an, und um                                    ärgert, denn warum wird immer auto-
       17 Uhr endet er, wenn man uns zusam-     Familienmodell                  matisch alles der Mutter zugeschoben?
       menlegt.                                                                 Aber nach vielen Gesprächen haben wir
                                                                                unseren Weg gefunden. Ich denke, das
       FAM: Das hört sich schon turbulent an?                                   war auch hier die Lösung. Gemeinsam
                                                                                einen Weg finden, miteinander reden
       Johannes lacht: Ja, manchmal ist es stres-                               und bereit sein, auch mal etwas Unübli-
       sig. Gerade wenn einer von uns berufliche                                ches zu probieren.
       Termine hat und dann zu spät dran ist.
       Gemeinsames Mittagessen schaffen wir                                     FAM: Beide in Teilzeit – wie macht ihr
       nur selten – das holen wir aber abends                                   das finanziell?
       nach. Richtig schwierig wurde es, als wir
       kein Auto hatten und mittags dann mit                                    Johanna: Finanziell gesehen bedeutet es
       dem Fahrrad samt Baby im Anhänger                                        natürlich Verzicht, zum Beispiel auf das
       durch die Stadt gefahren sind.                                           zweite Auto oder Urlaub. Mittlerweile
                                                                                stellen wir aber auch fest, dass uns diese
       FAM: Wie kam es dazu, dass ihr euch für                                  Dinge gar nicht fehlen und man mit dem
       euer Modell entschieden habt?                                            Fahrrad auch im Winter gut zur Arbeit
                                                                                fahren kann. Uns beiden ist aber auch
       Johanna: Es war für mich einfach selbst-  Johannes: Ja, für mich war auch klar:   klar, dass jeder von uns das Glück hat, in
       verständlich. Mit meiner Tochter war ich   Wenn ich mir ein Kind wünsche, dann   einem gut bezahlten Beruf zu arbeiten.
       viele Jahre alleinerziehend. Der Papa hat   soll es auch etwas von mir haben. Mein   Die Aufstockung durch das Elterngeld ist
       uns trotz Kinderwunsch in der Schwan-  Vater war eigentlich nur am Wochenen-  hier wirklich gering. Würde nur Johanna
       gerschaft verlassen und sich nie geküm-  de in den ersten Jahren zu Hause. Später   zu Hause bleiben, wäre es finanziell für
       mert. Weder finanziell noch persönlich.   dann war er durch Frührente ganztags   uns am besten. Die traditionelle Rollen-
       Da musste und wollte ich immer arbeiten,   da – das habe ich positiv in Erinnerung.  verteilung eben.
       um uns unabhängig zu versorgen. Es war
       einfach Voraussetzung für die Überle-  FAM: Was haben eure Arbeitgeber   FAM: Wie reagieren andere auf euer
       gung, noch mal ein Kind zu bekommen.  dazu gesagt?                       Modell?




       20 familienmagazin | Frühjahr 2024
   15   16   17   18   19   20   21   22   23   24   25