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Johanna: Ich erlebe eher negative Aus- habe sogar Mamas T-Shirt angezogen und Johanna: Wir haben das Glück, einen
sagen, besonders von anderen Frauen die Flasche durch ein Loch in diesem Shirt Kita-Platz zu haben. Aber auch nur, weil
jenseits der 30. Da schwingt oft der gereicht. Aber sie wollte nicht. wir diesen bereits im dritten Monat der
Vorwurf mit, ich sei egoistisch und würde Schwangerschaft angemeldet haben, und
das Kind vernachlässigen. Babys würden Johanna: Dann zwei Tage vor meinem auch da war es echt knapp. Immer Teilzeit
ihre Mutter doch brauchen. Als wäre das Einstieg nach Ende des Mutterschutzes hat ist finanziell mit Blick auf Altersvorsorge
Kind ohne mich alleine. Jüngere finden sie dann plötzlich die Flasche genommen. gar nicht machbar.
es selbstverständlich und wünschenswert, Ich war so erleichtert.
dass sich beide Elternteile kümmern. Johannes: Das Ziel ist schon, dass wir bei-
FAM: Hand aufs Herz: Es hört sich alles de wieder vollzeitnah arbeiten – allerdings
Johannes: Überrascht – das passt ganz ganz gut an, wie ihr das derzeit meistert, macht uns hier die Realität einen Strich
gut. In meinem Freundeskreis bin ich der aber wo hakt es? durch die Rechnung. Zwar haben wir
Einzige, der nicht das klassische Modell einen Kita-Platz, durch den andauernden
lebt. So manch einer beneidet mich auch Johannes: Eindeutig beim Haushalt. Da Personalmangel allerdings werden immer
und erzählt, wie ihnen der Arbeitgeber wird unter der Woche nur das Nötigste weiter die Betreuungszeiten gekürzt oder
Steine in den Weg gelegt hat beim Wunsch gemacht. Und natürlich fehlt uns die Zeit es gibt nur Notbetreuung.
in Elternzeit zu gehen. Und es gibt auch als Paar. Aber das war uns bewusst bei der
Menschen, die es einem Mann einfach Entscheidung, noch ein Kind zu bekom- FAM: Das hört sich schwierig an.
nicht zutrauen. men. Aber ich denke, das ist ganz unab-
hängig von der gewählten Aufteilung. Johanna: Das Problem haben viele Eltern.
FAM: Aber es gibt doch den rechtlichen Da fühlt man sich auch von der Politik in
Anspruch auf Elternzeit? Johanna: Ja. Wir haben es mal mit einem Stich gelassen. Es wird zwar lautstark ge-
Plan versucht. Der hat auch nur so lange fordert, dass mehr Mütter aus der Teilzeit
Johannes: Natürlich kann man das funktioniert, wie Magdalena tagsüber raussollen, aber die Rahmenbedingungen
durchsetzen. Aber es fängt ja schon bei der noch viel geschlafen hat. Uns ist es wichti- erlauben dies gar nicht.
Schwangerschaft an – ich als Mann habe ger, Zeit mit ihr zu verbringen, statt einen
keinen Kündigungsschutz. Dieser fängt perfekten Haushalt zu haben. Jeder hat so FAM: Was würdet ihr euch wünschen?
erst an, wenn ich Elternzeit beantrage, seine Aufgaben, die er gerne übernimmt.
und das sind 6 Wochen vor deren Beginn. Ich koche, Johannes macht lieber die Wä- Johanna: Mehr Toleranz gegenüber Fami-
lien- bzw. Betreuungsformen außerhalb
Allerdings ist das einfach zu spät für jeden
sche (bei Stoffwindeln ist das eine ganze
© iStock.com/Lera Danilova Arbeitgeber, der Fachkräfte ersetzen muss. Menge). Wir schaffen es sogar, Brot selbst des konservativen Familienbildes. Und
zu backen und frisch für Magdalena zu
damit verbunden ganz klar, die Unterstüt-
Nicht selten wird einem gedroht, dass es
kochen.
keine Aufstiegschancen mehr gibt oder
zung dafür, dass es nicht nur die Mutter
man eben nach der Elternzeit gekündigt
werde. Da überlegt man es sich natürlich FAM: Was hat euer Modell für einen Ein- sein muss, die zu Hause bleibt. Und wenn
sie arbeiten geht, dann sollte dies wert-
sehr gut, ob man auf das Recht besteht. fluss auf Magdalena? geschätzt, statt abgestraft werden. Dazu
muss die Politik aber auch die Rahmen-
Johanna: Ich denke, je mehr Väter eben Johannes: Ich habe das Gefühl, dass sie zu bedingungen schaffen, indem sie das
auf dieses Recht bestehen, desto selbstver- beiden Elternteilen eine tiefe Bindung hat. Ehegattensplitting überdenkt und Frauen
ständlicher und akzeptierter wäre es. In Für sie ist es selbstverständlich, dass einer bei der Elterngeldreform nicht benachtei-
Zeiten von Fachkräftemangel kann man von uns immer da ist. Geht Mama, winkt ligt werden.
nicht eben auf Eltern verzichten. Für mich sie und möchte dann aber direkt mit mir
gehört Elternschaft als Diskriminierungs- weiterspielen. Johannes: Dass generell die unbezahlte
verbot mit in das Grundgesetz. Care-Arbeit mehr wertgeschätzt wird,
Johanna: Oh ja. In der Krabbelgruppe sich die Betreuungssituation für Kinder
FAM: Hast du Magdalena dann nicht bekomme ich oft mit, dass die anderen verbessert und mehr Männer auf ihr
gestillt? Babys sich ausschließlich von der Mutter Recht auf Elternzeit bestehen. Nur dann
trösten lassen und viel weinen, wenn diese würde sich, in meinen Augen, wirklich
Johanna: Doch. Die ersten sechs Monate nicht da ist. Oft ist es auch so, dass Mütter mehr ändern.
auch voll. Ich habe dann, als sie sechs sich über mangelnde Unterstützung be-
Wochen alt war, angefangen abzupumpen schweren. Der Papa kommt abends heim Unser Eindruck vom Familienmagazin:
und dann auch auf die Arbeit die Milch- und möchte erstmal Pause von der Arbeit. Johanna und Johannes zeigen, dass alter-
pumpe mitgenommen. Zum Glück gibt es native Wege in der Elternschaft nicht nur
ja das Recht auf Stillpausen. Und ich stille Johannes: Ja, weil die anderen Väter gar möglich, sondern auch bereichernd sind.
sie auch noch immer. Sie genießt diese nicht die Erfahrung gemacht haben, dass Wir vom Familienmagazin schließen uns
„Schmuckl“-Zeit auch sehr. es wirklich Arbeit ist, mit einem Säugling den Wünschen für mehr Toleranz und
oder Baby zu Hause. Anerkennung gegenüber unterschiedlichen
Johannes: Am Anfang wollte sie partout Familienmodellen und der Care-Arbeit an.
keine Flasche. Wir haben etliche Sauger FAM: Wie geht es für euch nach der El-
ausprobiert, dabei gesungen, getanzt. Ich ternzeit weiter?
familienmagazin | Frühjahr 2024 21