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Familie und Soziales
Hilfe! stützen. Wichtig zu verstehen ist,
dass Kinder in diesem Alter, die
ihre eigene Selbstständig-
Die Trotzphase alles alleine entscheiden
keit entdecken und gerne
und machen möchten,
meines Kindes Grenzen stoßen, weil sie
ständig an ihre eigenen
merken, dass sie für vieles
bringt mich © iStock.com/uika Erwachsenen brauchen. Darauf re-
eben doch leider die Hilfe der
agieren sie verständlicherweise mit Wut,
zur Verzweiflung! Ärger und Frust. Auch das ist ein ganz gesunder Prozess.
Nun kommt aber der entscheidende Schritt für das Kind:
Wie lerne ich, mit meinem Frust umzugehen? Das ist die
eigentliche Entwicklungsaufgabe in der Trotzphase. Wie
kann ich mit meinem Frust umgehen, wenn mein Wunsch
Liebes Familienmagazin, nach Autonomie sich nicht sofort erfüllt?
ich liebe meinen Sohn wirklich, aber momentan
bringt er mich zur Verzweifl ung. Fynn ist jetzt drei- Und hier brauchen Kinder unsere Unterstützung!
einhalb Jahre alt und ein Wunschkind. Bisher lief
alles super, aber seit einiger Zeit ist er nicht wieder- Die Lösung ist nicht, Ihrem Kind Frust zu ersparen, indem
zuerkennen. Alles muss nach seinem Willen gehen. Sie ihm möglichst viel erlauben. Klare und konsequente
Bekommt er ihn nicht erfüllt, reagiert er mit einem Grenzen, die Sie als Eltern festlegen, sind absolut wichtig!
Tobsuchtsanfall. „Ich will aber Schokocreme zum Mit-
tagessen! Heute gehe ich nicht in den Kindergarten! Die entscheidende Frage ist: Wie können Sie Ihrem Kind
Ich will nicht auf meinem Kinderstuhl sitzen! Ich will helfen, seinen Frust selber zu regulieren? Denn auch spä-
JETZT ein Eis!“ Die Liste seiner Wünsche ist unend- ter im Leben erleben wir ja immer wieder unsere Frust-
lich und ich kann sie ihm aus unterschiedlichsten ration, wenn sich unsere Wünsche nicht sofort erfüllen
Gründen nicht alle erfüllen. lassen. Und dann ist es gut, wenn wir als Kind gelernt
Meine Nerven liegen blank! Was kann ich tun, damit haben, diese Gefühle auszuhalten und zu regulieren.
wir alle wieder entspannter miteinander sind?
Wenn Fynn also wieder einmal seinen Willen durchsetzen
Anna M., 31 Jahre will, wäre der erste hilfreiche Impuls, dies als positiven
Entwicklungsschritt bei ihm zu sehen. Er strebt nach
Autonomie, und das ist gut!
Der zweite hilfreiche Schritt ist, Verständnis für seinen
Liebe Anna, Frust zu zeigen. Können Sie sich in ihn, diesen kleinen
ja, Sie sind im Moment nicht zu beneiden! Die Trotzphase dreijährigen Knirps, der erstmals Kontakt mit seinen
eines Kindes kann uns wirklich an unsere eigenen Gren- Wünschen hat und nun UNBEDINGT JETZT dieses Eis ha-
zen bringen! Die gute Nachricht ist – wie der Name schon ben will, hineinversetzen? Und können Sie verstehen, wie
sagt: Es ist eine Phase, und die geht vorüber! frustrierend das für ihn ist, wenn die blöde übermächtige
Mama einfach Nein sagt? Wir Erwachsene übersehen oft,
Aber bis dahin muss sie natürlich überstanden werden. wie existenziell sich solche Situationen für die Kleinen
Lassen Sie uns einmal schauen, was die Trotzphase anfühlen. Also wäre es gut, wenn Sie Ihrem Kind diesen
eigentlich ist. Frust zugestehen.
Kinder brauchen für eine gesunde emotionale Entwicklung
Es ist die Phase im Leben eines Kindes, in der es sich Erwachsene, die mit ihren Gefühlen in Resonanz gehen
selbst zum ersten Mal als eigenständiges und von den und sie widerspiegeln. Damit die Bestätigung entsteht:
anderen losgelöstes Wesen erkennt. Es entdeckt seine „Es ist okay, was ich fühle.“ Und ja, es ist okay, wenn Fynn
eigenen Wünsche und Bedürfnisse und versucht dann na- wütend ist, wenn er seine Schokocreme nicht bekommt.
türlich, diese um- und durchzusetzen. Das ist ein ganz ge- Also, spiegeln Sie ihm verbal wider: „Ja, du bist wütend.
sunder und notwendiger Entwicklungsschritt. Nun macht Du hättest so gerne die leckere Schokocreme auf deinen
das Kind aber die Erfahrung, dass es mit seinem Willen Nudeln und es ärgert dich, dass du sie jetzt nicht be-
an äußere Grenzen stößt. Durch die Umstände oder aber kommst. Das verstehe ich. Du darfst wütend sein, auch
Papa oder Mama, die etwas verbieten und nicht unter- auf mich, die blöde Mama. Und ich verspreche dir, ich bin
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