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Jugend und Politik
Aus klein wird groß
„PoJlugitenikdpazrulammenAtne fbaiestesnen“
© Deutscher Bundestag / Marc-Steffen Unger In Nordenham nahm kürzlich das JuPa seine Arbeit auf.
Seine 13 Abgeordneten haben sich einiges vorgenommen
Jugendliche interessieren sich loben Jugendparlamente als einen gemeinsame Fahrten auf die Beine
nicht für Politik und wollen sich Ort, an dem das friedliche Austragen gestellt werden, die den Zusammen-
auf keinen Fall in die Gesellschaft von Konflikten und Toleranz gegen- halt unter den Jugendlichen stärken.
einbringen? Dieses Vorurteil hält sich über Andersdenkenden trainiert Das JuPa will regelmäßig tagen und
insbesondere bei älteren Menschen werden kann. Das sei eine „kleine sich außerdem in einem Abstand von
hartnäckig. Richtig fundiert ist die- Schule der Demokratie“ und „Politik ungefähr zwei Wochen mit Harald
se Einschätzung allerdings nicht. zum Anfassen“, argumentieren sie. Golkowski von der städtischen Jugend-
Jugendparlamente bestehen bereits arbeit treffen. Darüber hinaus sind
Der Nachwuchs ist gar in zahlreichen deutschen Kommunen JuPa-Mitglieder beratend in städti-
nicht politikverdrossen – so etwa in Delmenhorst, Hinte in schen Ausschüssen tätig, die einen
Ostfriesland und Lingen im Emsland. direkten Bezug zu Jugendthemen
Kürzlich hat z. B. der Kinder- und Innerhalb der Wesermarsch ist Nor- haben. So gehören Songül Gündo-
Jugendbericht der Bundesregie- denham in Sachen „Jugendparla- gar und Merten Wittrock dem Sport-,
rung ergeben, dass der Nachwuchs mente“ die den Takt gebende Kom- Freizeit- und Kulturausschuss an;
gar nicht politikverdrossen ist. Al- mune. Im März nahm dort das neu Michelle Schäfer und Marcel Ostendorf
lerdings traut er den Parteien und gewählte Jugendparlament (JuPa) zählen neuerdings zum Jugend- und
Parlamenten immer weniger zu. die Arbeit auf. Seine 13 Abgeordne- Bildungsausschuss. Ausdrückliche Un-
Wohl deshalb haben bei der Bun- ten wurden an den weiterführenden terstützung kommt von Bürgermeister
destagswahl 2013 nur 60 Prozent Schulen Gymnasium, Oberschule I, Carsten Seyfarth. Er wünscht den JuPa-
der unter 30-Jährigen ihre Stimme Oberschule Am Luisenhof und Schu- Mitgliedern vor allem einen „langen
abgegeben, während es 1990 noch le am Siel demokratisch gewählt. Atem“ und spricht damit ein Kernpro-
mehr als 70 Prozent gewesen waren. blem des JuPa in Nordenham, aber
Der Kinder- und Jugendbericht der Jugendparlamentarier ent auch anderer Jugendparlamente an.
Bundesregierung weist zudem aus, decken Spaß an der Politik Nicht selten steigen die jungen
dass die jungen Menschen durchaus Leute nach kurzer Zeit gedanklich
Formen der Mitwirkung suchen. Laut An der JuPa-Spitze steht Alexander wieder aus und „glänzen“ durch
einer Umfrage der Europäischen Union Eden. Stellvertreter des 16-Jäh- Abwesenheit. Das ist Wasser auf die
haben 30 Prozent der 15- bis 29-Jäh- rigen ist Marcel Ostendorf. Mühlen der Gegner von Jugendpar-
rigen schon einmal eine Petition un- Weitere Mitglieder des Gremiums: lamenten. Trotzdem bleibt selbst
terzeichnet. Ebenfalls bemerkenswert: Ahmad Al Kadri, Songül Gündogar, Ale- im schlimmsten Fall in der Regel
Die Gruppe der 14- bis 19-Jährigen ist xander Kuckei, Merten Wittrock, Mailin zumindest ein „harter Kern“ übrig.
in Deutschland ehrenamtlich sogar am Marie Plümer, Jannis Blumenberg, Dass Jugendparlamente konkret
aktivsten; 2014 war das jeder Zweite. Georg Becker, Michelle Schäfer, Joana durchaus etwas bewirken können,
Geht es darum, Jugendliche zur poli- Kolbe, Ian Lotz und Alessandro Grimm. zeigte sich auch in Nordenham. Das
tischen Willensbildung zu „verführen“, Die Mitglieder haben sich für ihre Vorzeigeprojekt des alten JuPa unter
kommen sogenannte Jugendparla- zweijährige Amtsperiode einiges vor- der Leitung von Alex Golowtschenko
mente ins Spiel. Bei denen mischen genommen. Kostenloses WLAN in der und seinem Vize Lennard Lorenz ist
sich demokratisch gewählte junge Innenstadt steht z. B. ebenso auf der der Mehrgenerationen-Fitnesspark
Menschen in das politische und Agenda wie kostenlose Bus-Pässe für am Weserstrand. Möglicherweise noch
gesellschaftliche Geschehen in ihrer Schüler der Oberstufe (ab der Ober- viel wichtiger ist es jedoch, wenn
Stadt oder Gemeinde ein, bringen die stufe müssen Schüler für die Busfahr- Jugendparlamentarier – wie Golow-
Anliegen und Bedürfnisse der jungen ten zur Schule und zurück bezahlen). tschenko – davon reden, dass sie Spaß
Generation gegenüber der Politik und Die Sport- und Freizeitangebote in an der Politik entdeckt haben und sich
Öffentlichkeit zu Gehör. Befürworter Nordenham sollen ausgebaut und weiterhin engagieren wollen. (ST)
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