Page 36 - FMO_5-2019-FlipBook
P. 36

Soziales












       Oldenburger Familie wendet

       sich an das Familienmagazin:




       Fröhliche



       Weihnachten!?








       Zur Beantwortung und als Ratgeberin befragen wir
       Sabine Tewes, Ärztin und Familientherapeutin in Oldenburg




       Bea Maier*: Nur noch wenige Wochen
       bis Weihnachten, überall hört man
       Weihnachtsmusik, die Werbung zeigt
       glückliche Familien unter dem Weih-
       nachtsbaum, und ich denke: „Ja, ge-  dieses Fest wirklich abschaffen oder
       nau das ist es, was ich auch will!“ Vor   wollen Sie nur den Stress abschaffen?  Wie realistisch ist es da, dass all diese
       meinem inneren Auge sehe ich unsere   Was macht Ihnen so viel Stress?    unterschiedlichen Bedürfnisse unter
       glückliche Familie einträchtig unter                                     einen Hut gebracht werden können?
       dem Baum und gleichzeitig weiß ich,   Im Prinzip haben Sie sich die Antwort
       dass das so nicht funktionieren wird.   schon selbst gegeben. Sie haben das   Also gilt es als Erstes, sich von der
       Mir graut schon jetzt davor!         innere Bild einer perfekten Familie   Illusion zu verabschieden, dass an
       Wenn ich nur an Weihnachten den-     vor Augen. Sie haben eine Vorstellung   Weihnachten die Bedürfnisse aller
       ke, habe ich Stress! Am liebsten     davon, wie Weihnachten idealerweise   hundertprozentig erfüllt werden kön-
       würde ich es dieses Jahr ganz aus-   ablaufen sollte. Alle sind zufrieden   nen. Ja, Sie haben richtig gehört. Das
       fallen lassen, aber das kann ich     und glücklich. Der Weihnachtsbaum   ist eine Illusion. Auch Ihre Bedürfnisse
       meinen Kindern ja nicht antun!       ist wunderbar geschmückt, das Fünf-  werden dieses Jahr an Weihnachten
                                            Gänge-Menü steht auf dem festlich   nicht alle erfüllt werden. Wie wäre
                                            gedeckten Tisch. Alle freuen sich über   es, wenn Sie das erkennen und dem
                                            ihre Geschenke und sitzen gemüt-    zustimmen? Das perfekte Weihnach-
                                            lich bis Mitternacht zusammen.      ten wird es nicht geben! Also gilt es,
                                            Doch wie realistisch ist dieses Bild?   Prioritäten zu setzen. Wie wäre es,
                                            Weihnachten im Kreise der Familie   im Vorfeld mit allen Beteiligten zu
                                            bedeutet, es treffen unterschiedli-  sprechen, und jeder darf erzählen, was
                                            che Menschen mit unterschiedlichen   für ihn Weihnachten am allerwichtigs-
                           © privat         Bedürfnissen aufeinander. Das allein   ten ist. Und der Fokus sollte dabei auf
                                                                                der Freude liegen. Was ist für mich
                                            ist schon Konfliktpotenzial. Eltern,
                                            Kinder unterschiedlichen Alters,    Weihnachten die allergrößte Freude?
       Sabine Tewes: Liebe Frau Maier,      Großeltern. Vielleicht gibt es sogar   Wenn ich an Weihnachten denke, wor-
       Sie sind mit diesem Gedanken nicht   im Rahmen von Patchworkfamilien     auf freue ich mich am meisten? Wenn
       allein. Immer häufiger höre ich gerade   noch die Kinder aus früheren Part-  ich mir eine einzige Sache wünschen
       von Müttern, dass sie Weihnachten    nerschaften und die dazugehörigen   dürfte, die Weihnachten auf jeden Fall
       am liebsten abschaffen möchten.      ehemaligen Partner, die ebenfalls   dabei sein sollte, was wäre das dann?
       Aber ist das wirklich so? Wollen Sie   berücksichtigt werden müssen.     Dass alle zusammen sind? Dass es



       *Name wurde von der Redaktion geändert
       36
   31   32   33   34   35   36   37   38   39   40   41