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FAMILIENMAGAZIN OLDENBURG 3 | 2019
Interview: Hausgeburt
„Sina, Sie selbst haben zwei Kinder zu Hause geboren und waren auf
unsere Frage, ob wir sie hierzu interviewen dürfen, sofort Feuer
und Flamme“.
Unsere erste Frage daher: Warum? überstand. Im Krankenhaus hörte ich gen getrieben hat. Ich wollte für mich
Sina (39, PR-Beraterin, Mutter einer vor allem, was bei der Geburt alles und mein Kind eine schöne Geburt!
fast einjährigen und einer dreijährigen überwacht werden würde, warum wann Eigentlich hatte ich vor der Geburt
Tochter): Weil ich es unglaublich scha- in den natürlichen Geburtsverlauf ein- gesagt, dass ich in ein Geburtshaus
de finde, dass Hausgeburten bei uns gegriffen werden würde. Ich hatte den gehen würde, Klinik kam für mich nur
nahezu unbekannt sind. Egal wohin Eindruck, dass es dort geradezu schwer im Notfall infrage und mein Mann
man schaut, ob im TV oder in Infobro- werden könnte, mein Kind natürlich zu war wirklich sehr gegen eine Haus-
schüren, ja sogar in Kinderbüchern, es gebären. Und für mich, der Selbstbe- geburt, wenngleich meine Hebamme
dreht sich beim Thema Geburt eigent- stimmung sehr wichtig ist und die dar- und ich ihm einiges an Vorurteilen
lich immer alles um die Krankenhaus- an glaubt, dass die Natur Prozesse wie auch nehmen konnten. Doch dann
geburt. Ich wurde von einer anderen die Geburt nahezu perfekt eingerichtet kam der Tag und ich habe mich
Schwangeren sogar gefragt, ob man zu hat, war das ein schwieriger Gedanke. ganz bewusst von meinem Instinkt,
Hause überhaupt entbinden dürfe. meinen Gefühlen leiten lassen:
Frage: Da gibt es beim ersten Kind Ich bin morgens gegen 4 mit leichten
Frage: Als Sie schwanger wurden: diese kleine amüsante Story der plötz- Wehen aufgewacht. Draußen vor
Wann haben Sie sich warum mit dem lichen und sehr spontanen Entschei- unserem Schlafzimmerfenster zwit-
Gedanken beschäftigt, ihr Kind in dung für die Hausgeburt. Was hat diese scherten die Vögel und ich war un-
vertrauter Umgebung zu bekommen? Spontanität bei Ihnen ausgelöst? glaublich glücklich. Ich habe in Ruhe
geduscht und als dann mein Mann zur
Sina: Erst einmal drehte sich bei mir Sina: So spontan war die Entscheidung, Arbeit aufstehen wollte, habe ich ihm
alles um das Thema Schwangerschaft. zu Hause zu entbinden, letztendlich gesagt, dass ich denke, es gehe los. Wir
Ich bin mit 35 das erste Mal schwanger nicht. haben die Hebamme angerufen, die
geworden und hoffte einfach jeden Tag, Im Gegenteil: Die Entscheidung, wie dann vorbeikam und meinte, dass wir
dass alles gut gehen würde. Erst bei ich mein Baby bekommen wollte, war tendenziell ab frühen Nachmittag ins
der Recherche nach einem Geburts- sehr schwer für mich und hat mich Geburtshaus gehen könnten; ich könne
vorbereitungskurs- zum Glück war das etliche schlaflose Nächte gekostet. Ich aber auch (wie im Vorfeld vorsichtig
recht früh, denn Hebammen sind ja wollte Sicherheit und zugleich eine angedacht) spontan zu Hause bleiben.
schnell weg -stieß ich auf ein Geburts- natürliche Geburt in vertrauensvoller Während des Vormittags wurde mir
haus. Mir war eigentlich der Gedanke Atmosphäre. Ich hatte Angst, dass man immer klarer: Ich wollte keine anderen
von Anfang an suspekt, dass ich mein mich im Krankenhaus bevormunden Leute um mich herum, keinen Orts-
Kind „öffentlich“ zur Welt bringen soll- würde, Eingriffe forcieren würde oder wechsel, ich wollte einfach in meinen
te. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass ich selbst schwach werden würde eigenen vier Wänden bleiben und
mich bei der Geburt zurückziehen zu und doch nach Schmerzmitteln rufen genau dort mein Baby bekommen. Die
wollen, so wie es ganz banal gesagt würde … Dem wollte ich mich entzie- Hebamme fand das prima, da sie eine
Tiere auch tun. Eine Geburt ist ja auch hen. Gleichzeitig die Sorge: Was ist, Verfechterin der Hausgeburt ist, und
etwas unglaublich Intimes. Und Ge- wenn ein echter Notfall eintritt? Bin mein Mann war zum Glück dann auch
burtshaus schien mir in dieser Hinsicht ich schnell genug in der Klinik? Mein einverstanden; er meinte, ich sei dieje-
viel entgegenkommender als ein Kran- Umfeld hat es mir auch sehr schwer nige, die das alles schaffen müsse, also
kenhaus, das ja im Übrigen einheitlich gemacht. Ich habe entsetzte Blicke ge- läge die Entscheidung bei mir und er
für Kranke und nicht für Gesunde ist. sehen, Sprüche mit dem Unterton „Ver- würde alles mitmachen. Wir hatten im
antwortungslos“ und so weiter, wenn Vorfeld ein paar „Must-haves“ einge-
Überzeugt hat mich letztendlich dann ich den Gedanken äußerte, außenkli- kauft (Abdeckfolie zum Beispiel) und
aber, dass man im Geburtshaus auf die nisch zu entbinden. Gleichzeitig habe so musste er dann nur noch ein paar
Kraft der Frau zum Gebären und die ich von so schrecklichen Krankenhaus- Dinge spontan besorgen; das meiste
natürlichen Geburtsprozesse vertraute, geburten gehört -und höre sie immer wie Handtücher (die im Backofen er-
Interventionen eher skeptisch gegen- noch, dass es mir die Tränen in die Au- wärmt werden), heißes Wasser usw. hat
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