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FAMILIENMAGAZIN OLDENBURG 2 | 2018
© kjpargeter, Freepik.com viele Promovenden müssen einen nicht unerhebli- kann ich dafür auch hohes Engagement einbringen,
chen Teil ihres Zeitbudgets für Aufgaben in Lehre ohne mich zu gefährden. Aus meiner Sicht sind
und Forschung aufwenden und können sich nur diejenigen Studierenden besonders gefährdet, die
mit dem verbleibenden Rest an Zeit um ihr eigenes durch überzogene Erwartungen aus ihrem Umfeld
Projekt kümmern. Wer dann noch mit Perfektions- oder durch eigene überhöhte Ansprüche ange-
wünschen an die Arbeit geht, ist ständig in Ge- trieben sind und die ihre Ziele – koste es, was es
fahr, sich übermäßig zu verausgaben und in einen wolle – unbedingt verwirklichen wollen. Darüber
ungesunden Bereich von Belastung zu kommen. hinaus haben es alle Studierenden schwer, die
FAM: Bedeutet Studieren heute tatsächlich sich nicht in Vollzeit dem Studium verschreiben
mehr Stress als früher? Haben die Anfor- können. Wer für den eigenen Lebensunterhalt
derungen an die Studierenden in den letz- nebenbei Erwerbsarbeit leisten muss, wer Kinder
ten Jahren so stark zugenommen, bzw. was betreut oder andere Verpflichtungen hat, fühlt
hat sich im Studienalltag verändert? sich im Vergleich zu den schneller voranschreiten-
Wilfried Schumann: Das Bachelor- und Masterstudi- den Studierenden oftmals als „Sitzenbleiber“ und
um unterscheidet sich vom Vorläufersystem durch sucht die Lösung möglicherweise darin, sich noch
eine größere Strukturierung und Verdichtung. Dies mehr anzustrengen, um mithalten zu können. Dies
kommt vielen Studierenden durchaus gelegen, kann dann zu chronischer Überforderung und am
die vielleicht mit einem größeren Maß an Freiheit Ende zum Zusammenbruch im Burnout führen.
Probleme gehabt hätten. Stressbegünstigend wirkt FAM: Wie können sich Studierende präven-
der Umstand, dass das Studium sehr stark fokus- tiv gegen ein Ausbrennen schützen und
siert ist auf Prüfungsleistungen und den Erwerb Stresssymptomen effektiv begegnen?
von Kreditpunkten. Zweckfreie wissenschaftliche Wilfried Schumann: Was gegen Burnout hilft, lässt
Neugierde hat nur noch wenig Raum, stattdessen sich denkbar einfach benennen: Tempo raus-
drohen am Horizont immer schon die nächsten nehmen, Anforderungen reduzieren, Prioritäten
Prüfungsphasen, auf die man sich vorbereiten muss. definieren, Regeneration verstärken. Leider ist
die Umsetzung dieser Prinzipien nicht ganz so
Ist das Hamsterrad der einfach, denn damit kann verbunden sein, dass
richtige Ort zum Leben? man eigene Ziele revidieren muss und mit den
Grenzen der eigenen Möglichkeiten konfrontiert
FAM: Gibt es Studienfächer oder spezielle Konstel- wird. Wer sich stark über Leistung definiert hat
lationen in Zusammenhang mit dem Studium, die und davon auch den eigenen Selbstwert abhän-
eine erhöhte Gefahr für einen Burnout darstellen? gig macht, muss mit vertrauten Mustern brechen,
Wilfried Schumann: Natürlich gibt es Fächer, die das kann auch schon einmal ziemlich wehtun.
arbeitsaufwendiger sind als andere. Aber das al- Aber wer sich ernsthaft mit der Frage beschäftigt,
leine ist nicht unbedingt ein Kriterium, denn wenn wie er oder sie eigentlich leben will und ob das
ich etwas mit Herzblut und Überzeugung betreibe, Hamsterrad dafür der richtige Ort ist, wird zu dem
Ergebnis kommen: Es lohnt sich, auszusteigen ...
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